Kirche und Israel


(eine Stellungnahme im Kontext der Diskussion um die Änderung der Kirchenverfassung der ELKB [2010/2011])




Ecclesia am Bamberger Dom

Synagoge am Bamberger Dom




Kunstgeschichtlich wurde das Verhältnis von Kirche und Israel als Gegen­über von ecclesia und synagoga re­flektiert. Dabei han­delt es sich um zwei Frauen-Dar­stel­lun­gen, die die Christen­heit als Kirche ei­ner­seits und die Ju­den­heit als Syn­ago­ge an­derer­seits sym­bo­li­sie­ren. Die Dar­stellungen trans­por­tieren einen mehr oder weni­ger aus­ge­präg­ten christ­li­chen An­ti­ju­dais­mus (s. oben das in dieser Hin­sicht aber ver­gleichs­weise harm­lose Bam­ber­ger Bei­spiel). Christ­li­cher Anti­ju­dais­mus hatte be­deu­ten­den An­teil am un­er­meß­lichen Leid, das dem jü­di­schen Volk in der Ge­schich­te wider­fah­ren ist; es ist deshalb richtig und auch theo­logisch not­wen­dig, Schuld zu be­ken­nen und den Weg der Umkehr zu be­schrei­ten.

Nicht rich­tig und theo­lo­gisch sinn­voll ist es aber, die­sen Pro­zeß dadurch begleiten und för­dern zu wol­len, daß man das Ver­ständ­nis dafür re­le­van­ter bi­bli­scher Texte darauf ab­stellt, also diese Tex­te aus gleich­sam »ideo­logi­schen« Grün­den umin­ter­pre­tiert.*
Eine solche in­ter­pre­ta­torische An­pas­sung an das theo­lo­gisch Ge­woll­te kann auch ganz un­ter­schwel­lig ge­schehen, ohne daß man vor­sätz­lich den bi­bli­schen Text zurecht­bie­gen will. In die­ser Ge­fahr steht mei­nes Er­ach­tens der von sei­ner In­tention her durch­aus zu be­grüßende damals diskutierte Text­vor­schlag zur Er­gän­zung des Grund­ar­ti­kels der Kir­chen­ver­fas­sung der Evan­ge­lisch-Lu­theri­schen Kir­che in Bayern um einen Israel-Passus. Pro­fes­sor Dr. Peter Pil­hofer und ich ha­ben da­her eine ge­mein­same Stel­lung­nahme mit dem Titel: »Bleibende Erwählung Israels nach Röm 9–11« ver­faßt, die den damals in der Dis­kus­sion be­find­lichen Än­derungs­vor­schlag aus ex­ege­ti­scher Per­spek­tive im Blick auf den zen­tra­len Text des Paulus aus Röm 9–11 kriti­siert; der Text die­ser Stel­lung­nahme in der Fassung vom 13. Dezember 2010 kann hier als pdf-Do­ku­ment her­unter­ge­la­den werden. Der Text ist auch erschienen als: Lieber Römer 9–11. Bleibende Erwählung Israels nach Röm 9–11, Kor­respon­denz­blatt 125/Nr. 12 [2010], S. 212–216 (s. hier); eine gering­fü­gig über­ar­bei­te­te Fas­sung ist im Sep­tem­ber 2011 er­schie­nen als: Jens Bör­sting­haus, Bleibende Erwählung Israels nach Röm 9–11, in: Peter Pilhofer, Neues aus der Welt der frühen Christen. Unter Mitarbeit von Jens Börstinghaus und Jutta Fischer, BWANT 195, Stuttgart 2011, S. 239–249 – diese aktualisierte Fassung sehe ich als die einzig zitierfähige an.



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 *  Gegen ein solches Vorgehen hatte sich schon Ernst Käsemann im Blick auf den Beschluß der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland aus dem Jahr 1980 mit Ve­he­menz gewandt und dabei durchaus die besondere Situation der Christen in Deutschland, insbesondere der Angehörigen der Kriegs­ge­ne­ration, mit berücksichtigt: »Wer selber der deut­schen Ge­ne­ration angehört, welche für Verfolgung und Mord der Juden in nicht zu leugnender Kollektivschuld verantwortlich ist, wird Protest dagegen nur schweren Herzens er­he­ben. Um­ge­kehrt wird gerade er nicht schweigen dürfen, wie es unbegreiflicherweise fast alle Landeskirchen und evangelischen Fakultäten tun, noch immer sich feige aus dem Schuß­feld drückend. Es ist hier nicht der Ort sich auf die Ge­samt­pro­ble­ma­tik des Beschlusses einzulassen, der immerhin von keiner anderen deutschen Landeskirche mitgetragen wird, von der Ökumene zu schweigen. Gerade wenn man jedoch das Verhältnis zwischen Christen und Juden verbessern und – doch wohl reichlich lautstark! – “erneuern” möch­te, sollte man mit der Exegese des anfangs als Kronzeugen zitierten Paulus nicht so leichtfüßig umspringen, wie manche Enkel Barths es sich erlauben und reformierte Fö­de­ral­theo­lo­gie es zu provozieren scheint« (Ernst Kä­se­mann, As­pek­te der Kirche, in: Kirchliche Konflikte. Band 1, Göttingen 1982, S. 7–36, hier S. 20f.).